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Kaninchen

Das Kaninchen ist einerseits beliebt als plüschiges Haustier, aber auch als Braten landet es öfters auf dem Teller. Die Haltung von Mastkaninchen entspricht ganz und gar nicht den Bedürfnissen dieser sensiblen und sozialen Tiere.

Fakten und Interessantes

Steckbrief

  • Das Kaninchen gehört zu den Hasenartigen und nicht, wie oft angenommen, zu den Nagetieren. 
  • Weibliche Kaninchen bezeichnet man als Häsinnen oder Zibben, männliche als Rammler.
  • Da Kaninchen seit dem 16. Jahrhundert aus vielen verschiedenen Gründen gezüchtet worden sind, variieren die verschiedenen Rassen immens in ihrem Gewicht. Kaninchen können zwischen 1 und 8 Kilogramm wiegen.1  Männchen und Weibchen unterschieden sich beim Gewicht kaum.
  • Grosse Rassen werden zwischen 3 und 5 Jahre alt, kleinere Rassen können 8 bis 12 Jahre alt werden.2 

Interessantes

  • Kaninchen haben etwa 50 bis 80 Mahlzeiten pro Tag, sie fressen nicht ständig.3
  • Kaninchen können ihre Ohren wie Sattelitenschüsseln drehen und haben über ihre Ohren den kompletten „Durchblick“.4
  • Wenn Kaninchen unsicher sind und ihre nächsten Schritte planen müssen, beginnen sie sich und ihr Umfeld manchmal plötzlich zu putzen.5
  • Putzen stärkt die Beziehung zwischen Kaninchen. Doch manche Kaninchen übertreiben es mit der Liebe und putzen ihre Partnertiere kahl.5
  • Häsinnen haben einen Uterus Duplex, sie können also gleichzeitig mit zwei Würfen schwanger sein und alle 14 Tage Babys gebären.6
  • Die Nagezähne von Kaninchen nutzen sich ein Leben lang aneinander ab.
  • Kaninchenmuttermilch ist so nährreich, dass Hasenmütter ihre Jungen nur 2 Mal am Tag stillen müssen.
  • Werdende Kaninchenmütter rupfen sich selbst das Bauchfell aus, um daraus ein Nest für ihre Jungen zu bauen. 
  • Das Schwänzchen eines Kaninchens nennt man Blume.4
  • Freudige, übermütige Kaninchen springen unkontrolliert durch die Gegend, schlagen Hacken und wackeln mit Kopf und Blume.5
  • Insbesondere unkastrierte Rammler können sich in Auseinandersetzungen gegenseitig blutig verletzen.

 

Bedürfnisse

Artgenossen und Sozialverhalten

Kaninchen leben in einer strikten Rangordnung. Das höchste Männchen herrscht dabei über die übrigen Männchen, das höchste Weibchen über die anderen Weibchen. Rangniedrige Kaninchen dürfen sich nur in gewissen Gebieten aufhalten und gruppenfremde Tiere werden heftig attackiert.7

Trotz Rangkämpfen und Attacken ist es ganz wichtig, dass Kaninchen in Gruppen von mindestens zwei Tieren zusammenleben. Kaninchen kommunizieren über den Kontakt mit anderen Tieren. Partnertiere putzen sich gegenseitig sehr häufig die Augen und den Bereich hinter den Ohren, ausserdem liegen Kaninchen mindestens sieben Stunden pro Tag eng aneinander gekuschelt, man nennt das Kontaktliegen. Es fördert das Wohlbefinden von Kaninchen und ist nicht mit artfremden Tieren möglich.8 Kaninchen begrüssen sich gegenseitig, indem sie sich das Gesicht abschnuppern. Vertraute Menschen werden von zahmen Kaninchen ebenfalls mit Nasenstubsern begrüsst. 

Kaninchen kommunizieren meistens tonlos, was ihnen im Umgang mit Menschen oft zum Verhängnis wird, da wir ihre Schmerzen und ihre Angst nicht erkennen. Um sich anderen Artgenossen zu unterwerfen, drücken sich Kaninchen flach auf den Boden und legen ihre Ohren an. Erschrockene Kaninchen erstarren und bewegen sich über längere Zeit nicht mehr. Ein ausgestreckt auf dem Boden liegendes Tier signalisiert, dass es sich wohl fühlt und ausruht. Bei vollkommen entspannten und glücklichen Tieren kann es vorkommen, dass sie sich auf erdigen Flecken und in Mulden wälzen. Wenn Kaninchen Männchen machen, versuchen sie einen besseren Überblick zu erhalten. In der Heimtierhaltung kann Männchen machen aber auch eine Bettelgeste sein.5 Bei Todesangst können Kaninchen einen schrillen, ohrenbetäubenden Schrei von sich geben.9

Ernährung

Kaninchen fressen 50 bis 80 Mahlzeiten pro Tag. In der Wildnis reicht Kaninchen eine biodiverse Wiese als Nahrung aus. Am liebsten fressen sie die blättrigen Spitzen der Wiesenpflanzen sowie frische Grassamen und Getreidekörner. Im Winter ernähren sich Kaninchen von Pflanzenresten, die selbst noch unter Schnee zu finden sind, von der Rinde verschiedener Sträucher und von abgestorbenen Pflanzenteilen, Wurzeln und Knollen.10 Gemüse, Obst und eine Körnermischung benötigen gesunde Kaninchen nicht unbedingt, in geringen Mengen sie diese Nahrungsmittel aber nicht schädlich. Bunte Leckerlis, hartes Brot und v.a. Joghurtdrops schaden ihrer Verdauung.

Anders als der Mensch brauchen Kaninchen ständig neue Nahrung, denn nur so wird die Nahrung durch den Verdauungsapparat transportiert. Futterknappheit und kalorienreiches Futter sind deshalb gefährlich für Kaninchen.11

Die Schneidezähne von Kaninchen wachsen ein Leben lang nach, nutzen sich aber beim Kauen aneinander ab. Deshalb ist es für Kaninchen nicht wichtig, dass sie besonders hartes Futter knabbern, sondern, dass sie ihr Futter lange zerkleinern und viel kauen müssen.12

Kaninchen sind Koprophagen, d.h. sie fressen einen Teil ihres eigenen Kots. Dieser sehr nährstoffreiche Blinddarmkot wird direkt vom After wieder in den Mund aufgenommen. Wenn Kaninchen ihren eigenen Kot nicht fressen können, kommt es zu erheblichen Mangelerscheinungen.5

Bewegung und Territorium

Kaninchen sind dämmerungsaktiv und sind deshalb v.a. in den frühen Morgen- und Abendstunden sehr aktiv. In Gruppen von mindestens zwei Tieren flitzen sie zusammen herum, wobei sie ein Tempo von 60 Kilometer pro Stunde erreichen können, schlagen Hacken und geniessen ihren Freiraum. Haben sie diese Option nicht, können sie verkümmern und werden krank.13

Kaninchen sind territoriale Tiere. Sie haben Duftdrüsen unter dem Kinn, mit denen sie ihr Revier beduften. Ausserdem verspritzen sie in der Wildnis und manchmal auch im Garten Urin und verteilen Köttel auf ihrer Reviergrenze.5

Fortpflanzung und Jungenaufzucht

Kaninchenmännchen sind je nach Rassengrösse nach etwa 3 bis 12 Monaten geschlechtsreif, im Herbst geborene Häsinnen erleben die geschlechtsreife mit etwa 5 Monaten, im Frühjahr geborene Häsinnen mit 8,5 Monaten.7

Eine Kaninchenpaarung dauert mit vorhergehender Werbung einige Minuten bis Stunden, danach ist die werdende Mutter auf sich alleingestellt. Sie hat nun 28 Tage Zeit, ein warmes Nest in ihrer Höhle zu schaffen, bevor die Jungen zur Welt kommen. Sie wird sich dafür ihr Bauchfell Büschel für Büschel selbst ausreissen, um es ihrem Nachwuchs extra kuschelig zu machen.14

Die ein bis acht Babys kommen beinahe nackt und vollkommen blind zur Welt und werden etwa zwei Wochen nur im Nest liegen. Die Mutter nabelt die Jungen allein ab und leckt jedes Jungtier ausgiebig ab, um es zu reinigen, seinen Kreislauf in Schwung zu bringen und seinen Geruch kennenzulernen. Da die Häsin ein sicheres, warmes Nest unter der Erde gebaut hat, muss sie nicht ständig bei ihren Jungen sein. Zudem ist ihre Muttermilch so nahrhaft, dass den Kaninchenbabys eine Mahlzeit pro Tag ausreicht. Nach dem Säugen leckt die Kaninchenmutter ihren Jungen den Bauch, um ihre Verdauung anzukurbeln. Nach etwa vier Wochen sind die Jungen abgestillt.14

Mit zwei Wochen haben Kaninchenbabys geöffnete Augen und genug Fell, um die Umgebung ausserhalb ihrer Höhle zu erkunden. Die Mutter zeigt ihrem Nachwuchs, was gefressen werden kann und wie man buddelt und sie wird ihre Kinder in die bestehende Kaninchengruppe einführen. Ausserdem dürfen die Jungen den Blinddarmkot ihrer Mutter fressen, damit sie eine optimale Darmflora aufbauen können. Gerade für junge Weibchen ist der Kontakt mit der Mutter wichtig, da diese Häsinnen später selber die ruhigeren und gelasseneren Mütter sind.14

 

Mastkaninchen

Kaninchenfleisch ist sehr fettarm und proteinreich, weswegen es leider immer noch gerne gegessen wird. Dennoch sieht ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung Kaninchen eher als Kuscheltiere denn als Nutztiere.15 Schweizweit werden jährlich etwa 1700 Tonnen Kaninchenfleisch gegessen. Nur ein knappes Drittel des jährlich verzehrten Kaninchenfleischs wird auch in der Schweiz produziert, der Rest kommt aus dem europäischen Ausland.16

Haltung von Mastkaninchen in der Schweiz

In der konventionellen Produktion gesteht man jedem Kaninchen die Fläche eines DIN-A4-Blattes zu, auch in der Schweiz. Die Tiere haben dadurch nicht die Möglichkeit, ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzugehen. Da es sich bei Mastkaninchen um Hybriden handelt, sind die Kaninchen schon nach drei Monaten mit 3 Kilogramm schlachtreif. In diesem Alter durchlaufen ihre wilden Artgenossen erst die Geschlechtsreife.16 Auch der Bio Standard ist in der Schweiz nicht viel besser. Laut BIO Suisse muss ein Kaninchen je nach Alter 0,15 bis 0,25 Quadratmeter Platz im Stall haben. Da die Kaninchen in Gruppen von bis zu 60 Tieren gehalten werden, reicht dieser Platz theoretisch aus, um Hacken zu schlagen. Regelmässiger Auslauf, wie es z.B. das Programm RAUS garantiert, ist allerdings nicht vorgeschrieben. Auch die Käfighaltung ist immer noch erlaubt, allerdings muss den Tieren einmal pro Woche Freilauf geboten werden. Auch diese Bestimmungen sind keineswegs artgerecht und führen zu massivem Leid für die bewegungsfreudigen Tiere.17

Zucht

Die Zuchthäsinnen werden im Alter von drei Monaten zum ersten Mal künstlich befruchtet. Nach zwei Jahren Dauerwerfen, mit kurzen Regenationszeiten zwischen den Würfen, werden sie geschlachtet. Die Häsinnen werden in engen Gehegen gehalten, BIO Suisse spricht von 1,6 Quadratmeter pro Zibbe mit Wurf. Auf so wenig Fläche ist es den Müttern praktisch nicht möglich, von ihren Kindern wegzukommen.17 Das bedeutet viel Stress und ist ebenfalls nicht Artgerecht.

Obwohl in der Schweiz die Gruppenhaltung Pflicht ist, besteht eine Ausnahme bei Zuchtrammlern.17 Diese müssen ihr Leben allein verbringen, da sie sich auf der kleinen Fläche nicht mit den anderen Rammlern verstehen würden und die Besamung in den Mastbetrieben künstlich vonstattengeht.

Tötung

Wie bei allen Nutztieren ist auch bei Kaninchen vor dem Ausbluten in der Schweiz eine Betäubung vorgeschrieben. Laut Schweizer Tierschutzgesetz gelten ein Bolzen- oder Kugelschuss ins Gehirn, eine stumpfe Schussschlagbetäubung oder die Betäubung mit Elektrizität oder Gas als legale Betäubungsmethoden.18  Bei Nestlingen, die maximal sieben Tage alt sind, ist die Köpfung mit einer scharfen Klinge legal.19

Ausland

2012 machte eine PETA Reportage auf die Käfighaltung in Deutschland aufmerksam. Die Kaninchen werden einzeln eingesperrt, es gibt kein Tageslicht und keinen einzigen sauberen Fleck im Stall. Laut den Tierschützern ist das in der EU kein Einzelfall, sondern die traurige Realität.20 2017 hat das EU Parlament der Festlegung von Mindeststandards für Mastkaninchen zugestimmt, diese sind aber noch nicht ausgearbeitet.21

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