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Sind Hundekäufer Tierquäler?

Wer einen Hund bei einem Züchter kauft, geht davon aus, ein gesundes Tier zu erhalten. In vielen Fällen trifft dies jedoch nicht zu: Durch die Inzucht bedingte genetische Verarmung der reinrassigen Hunde nimmt man genetisch bedingte Krankheiten in Kauf. Reinrassige Tiere, die nicht rassetypische Krankheiten erleiden, werden immer seltener.

Züchter oder Tierheim?

Vor allem ausländische Tierheime sind meist überfüllt mit Hunden und Katzen, die von ihren Besitzern abgegeben oder ausgesetzt wurden. Auch wenn die Tierheimbetreiber meist alles tun, was ihnen möglich ist, ist eine individuelle Betreuung der Tiere zeitlich kaum möglich. Obwohl unzählige Tiere dringend ein Zuhause suchen, werden nach wie vor Hunde bei Züchtern gekauft und somit der Notstand in den Tierheimen noch weiter verschärft. 
Tierschützer kaufen deshalb nur schon aus diesem Grund keine Tiere bei Züchtern, sondern verhelfen einem Tier aus einem Heim zu einem lebenswerten Leben.

«Qualitätsprodukt»?

Reinrassigkeit gilt als Qualitätsmerkmal bei Hunden. Für viele Käufer ist die Rasse gleichbedeutend wie die Marke bei einem Kleidungsstück oder Auto.
Bei einem Markenprodukt geht man davon aus, dass man ein qualitativ hochwertiges Produkt erhält (und bezahlt dafür einen höheren Preis). Bei einem reinrassigen Hund ist leider genau das Gegenteil der Fall: Durch die genetische Verarmung und Inzucht leiden sehr viele reinrassige Tiere unter den Folgen ihrer Züchtung.

Reinrassig und gesund?

Um gewisse Rassemerkmale herauszubilden bzw. zu fördern, werden eng verwandte Tiere miteinander gepaart. Die Folgen kennt man auch beim Menschen: Inzucht führt zur genetischen Verarmung und Krankheitsanfälligkeit. Deshalb ist Inzest in den meisten Ländern unter Menschen verboten. Bei Hunden (und anderen Tieren) wird dies jedoch absichtlich praktiziert, um einen Hund zu erhalten, der den Wünschen der Züchter (und Käufer) optimal entspricht. Es gibt kein Verbot, Eltern mit ihren eigenen Jungen zu paaren oder Geschwister untereinander.
Die genetischen Defekte nehmen deshalb bei Rassehunden durch den Verlust der genetischen Vielfalt immer weiter zu. In den letzten 40 Jahren gingen rund 90% der genetischen Variabilität durch Inzucht bei den Rassehunden verloren. Manche Hunderassen sind heute genetisch verarmter als der vom Aussterben bedrohte Pandabär, weil sie von nur noch einer Handvoll Zuchteltern abstammen.
Bei den Rassehunden sind bereits 500 genetisch bedingte Erkrankungen bekannt. Durch die Zucht, welche darauf keine Rücksicht nimmt (Zuchttiere müssen nicht genetisch gesund sein, es reicht, wenn sie «schön» aussehen), sind einige davon sehr weit verbreitet.

Extremzuchten

Wie bei den Nutztieren, wird auch bei der Hundezucht meist ein konkretes Ziel angestrebt. Dabei spielt das Wohl des Tieres keine Rolle. Welche Tiere für die Rassezucht verwendet werden, entscheiden meist Hundeschauen. Es geht dabei weder um die Gesundheit der Tiere noch um deren Charakter, sondern einzig um deren äussere Erscheinung.

Einige Beispiele:

  • Dem Mops wurde ein Ringelschwanz angezüchtet. Dies führte nicht nur zur Veränderung der Schwanzform, sondern auch zur krankhaften Deformation der ganzen Wirbelsäule. Dies schränkt ihn auch in seiner Körpersprache stark ein, was zu Missverständnissen mit anderen Hunden führen kann.
  • Die Züchtung sehr kurzer Schnauzen führte dazu, dass Atemprobleme entstehen. Schnarchen ist bei diesen Tieren wegen der deformierten Atemwege auch sehr weit verbreitet. Betroffen sind davon z.B. folgende Rassen: Mops, Französische Bulldogge, Pekinese, Shih Tzu, Zwerggriffon, Boston Terrier.
  • Bei der Züchtung von sehr kleinen Hunden (wesentlich kleiner als ein Wolf) wird oft übersehen, dass die inneren Organe nicht völlig proportional zum restlichen Körper verkleinert werden. Dies führt zu vielen Folgeerkrankungen. Bei einigen Rassen wird dadurch sehr oft ein Kaiserschnitt notwendig, da die natürliche Geburt kaum noch möglich ist, weil der Kopfdurchmesser im Verhältnis zum Becken weniger stark verkleinert wurde (beispielsweise Französische Bulldogge). Auch die Welpensterblichkeit ist hier sehr hoch. Ausserdem sind oft die Knochen solcher «Zwerghunde» viel dünner und somit bruchanfälliger.
  • Ein verhältnismässig zu langer Rücken führt oft zu Bandscheibenvorfall. Starke Schmerzen und Lähmung können die Folgen sein. Betroffen sind zum Beispiel Dackel, Pekinese, Malteser.
  • Bei den meisten Kleinzüchtungen wird zwar der ganze Kiefer verkleinert, oft aber nicht die Zähne. Was zu Zahnproblemen führen kann.
  • Deutsche Schäferhunde sind bekannt für ihre Hüftprobleme. Im Gegensatz zu den Arbeitsschäferhunden (z.B. Polizeihunde) wird den Show-Schäferhunden eine kranke niedrige Hüfte sogar noch speziell angezüchtet, weil dieses «Rassemerkmal» von den Preisrichtern hoch bewertet wird.
  • Viele Cavalier King Charles Spaniel haben ein zu grosses Gehirn für den Schädel. Rund ein Drittel leidet dadurch mit dem Alter an Syringomyelie und Epilepsie mit extremen Schmerzen und weiteren neurologischen Problemen. Zudem haben ab einem Alter von rund 10 Jahren fast alle Hunde dieser Rasse Herzprobleme.
  • Auch viele andere Rassehunde erkranken an Epilepsie.
  • Es gäbe unzählige weitere Beispiele: Labradors: Gelenk- und Augenprobleme / Golden Retriever: hohe Krebserkrankungsrate / Boxer: Herzkrankheiten, Hirntumoranfälligkeit usw.

Artikel 4.2 des Tierschutzgesetzes:
«Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten.»
 

Legal?

Seit 1. September 2008 ist das neue Tierschutzgesetz in Kraft. Im Artikel 10 zur Tierzucht werden darin erstmals alle Züchtungen, die den Tieren Leid verursachen, verboten. Da der Bundesrat die entsprechende Verordnung aber noch nicht erstellt hat, haben die Tiere noch nichts davon bemerkt. Es ist auch kaum zu hoffen, dass der Bundesrat sich in dieser Sache plötzlich auf die Seite des Tierwohls stellt, da er dies bei den Nutztieren kaum je getan hat. 
Der Artikel 1 des Tierschutzgesetzes wird auch in Zukunft wohl kaum mehr als leere Worte sein, wo immer wirtschaftliche Interessen entgegenstehen: «Zweck dieses Gesetzes ist es, die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen.»

Geschäft

Für Züchter sind Hunde genauso Nutztiere wie für einen Bauer seine Rinder, Hühner oder Schweine. Die Tiere werden gezüchtet, um damit Geld zu verdienen. Und wenn man es nicht nur als Hobby betreibt, was eher die Ausnahme ist, versucht man natürlich, den Gewinn zu maximieren. Züchter «produzieren» deshalb immer genügend Welpen auf Vorrat. Das heisst, ihre Hündinnen müssen laufend geschwängert werden, um rentabel zu sein. Da nicht immer alle Welpen verkauft werden können (und manche den Rassekriterien nicht entsprechen), werden die überzähligen Welpen oft umgebracht.
Immer öfters kommt es auch vor, dass man in grenznahen Gebieten Welpenhändler antrifft, die das Mitleid der Menschen ausnutzen, indem sie ihnen junge (meist kranke und viel zu früh von der Mutter weggenommene) Welpen zum Kauf anbieten. Keinesfalls sollte man solche Welpen aus unbekannten Quellen kaufen, da man damit das Elend der Zuchttiere nur noch verschlimmert und dafür sorgt, dass noch mehr Welpen dieses Schicksal erleiden müssen.
Wie bei den «Schlachttieren» wird auch hier alles von den «Konsumenten» gesteuert: Solange das Geschäft mit den Hunden funktioniert, wird es weiter praktiziert. Das Leid der Hunde kann man deshalb ebenso stoppen wie das Leid der anderen Nutztiere, indem man es nicht mit seinem Geld mitfinanziert. Bei den Nutztieren kann man einfach auf pflanzliche Nahrungsmittel umsteigen, bei den Hundezüchtern auf Tiere aus einem Tierheim.

Tötungsstationen für Hunde

Allein in den USA werden jährlich rund 3−4 Millionen gesunde Hunde getötet. Aber auch in vielen anderen Ländern gibt es neben bzw. in Tierheimen Tötungseinrichtungen, um die überzähligen Hunde zu töten. In den Ländern, in denen diese Praxis verboten ist, müssen die Tierheime die Aufnahme weiterer Tiere verweigern, wenn sie voll belegt sind (was sehr häufig der Fall ist). Was mit den nicht aufgenommenen Tieren passiert, bleibt dann natürlich offen, ist aber meist ein noch schlechteres Schicksal als die meist schmerzfreie Euthanasie. Aus Zeit- und Geldmangel ist jedoch an vielen Orten noch nicht einmal eine schmerzfreie Tötung gewährleistet.
Die Symptombekämpfung ist immer mit grossen Kompromissen und Schmerzen verbunden.

Nach Schätzungen sterben weltweit pro Jahr ca. 9−11 Millionen Tiere in Tötungsstationen. Wer ein Tier von einem Züchter kauft, unterstützt diese Massentötung durch die Zucht weiterer Tiere.

Einfach zu viele

Es gibt 2 Gründe für die überfüllten Tierheime: erstens die unkontrollierte Vermehrung der Tiere, weil deren Besitzer ihre Tiere nicht kastriert haben oder ein Besitzer fehlt, und zweitens die Züchter, welche absichtlich möglichst viele Tiere «produzieren».
Deshalb ist die Lösung auch nahe liegend:
Möglichst jedes Tier sollte kastriert (oder sterilisiert) werden und das Geschäft der Züchter darf nicht mehr rentieren, indem man ihnen (bzw. den Tierhandlungen) keine Tiere mehr abkauft. Damit könnte milliardenfaches Tierleid vermieden werden.
Und erst wenn die Schwemme an Tieren in den Tierheimen abgebaut werden konnte, könnte man sich überlegen, wie man künftig mit den Hunden umgeht und z.B. nur Tiere ohne angeborene Krankheiten züchtet.
Doch hier muss das Wohl des Tieres im Zentrum stehen und nicht der kommerzielle Aspekt.

Solange das Leben eines Tieres für die meisten Menschen weniger wert ist als ihr Gaumenkitzel beim Essen eines Stücks Fleisch, wird es aber sicher noch ein Wunschdenken bleiben, dass im Umgang mit allen Tieren das Wohl der Tiere höher bewertet wird als persönliche Vorteile.

Renato Pichler

Weitere Infos

Hier finden Sie ein Tier aus dem Tierheim: